Der Mann ist ein USA-Kenner par excellence, sein Thema hochaktuell: Amerika nach der Wahl – Folgen für Europas Wirtschaft, Verteidigung und Identität. Arthur Landwehr verstand es vorzüglich, weil auch unterhaltsam, in einem 90-minütigen Vortrag in freier Rede im Haus des Gastes das Phänomen Donald Trump und seine Rückkehr ins Weiße Haus zu analysieren. Eingeladen hatte am Freitagabend der Förderverein Museum Geiserschmiede, gekommen waren rund 100 politisch interessierte Bürger aus der gesamten Region, die für ihren Erkenntnisgewinn dem Referenten mit üppigem Applaus dankten.
Das einheimische Publikum hatte der ehemalige Wahl-Bühlertäler ohnehin rasch auf seiner Seite. Es bedurfte lediglich eines Satzes: „It’s fine, to be at home!“ Danach war Schluss mit Nettigkeiten. Harte politische Realitäten, Analysen und Bewertungen waren angesagt. Ein kurzes „Hände hoch“ signalisierte dem Medienprofi gleich zu Beginn, wer im Saal Kamala Harris gewählt hätte: die weit überwiegende Mehrheit. Die aber zählt nicht. Auch nicht an diesem Abend. Über die Hälfte der US-Wahlbürger votierte für den rabaukenhaften Comebacker Trump. Und Landwehr erklärte die Gründe. Die Mittelschicht entscheidet Wahlen, Personen zwischen Ende 30 und Mitte 60. Vorzugsweise in eher ländlichen Regionen lebend, fleißig und einer geregelten Arbeit nachgehend. Das eher akademisch gebildete Wahlvolk in den Großstädten der Ost- und Westküste ist traditionell eher der Hotspot der Demokraten. Oder – wie es Landwehr formuliert: „Die Trennungslinie ist der Graben zwischen Stadt und Land.“
Und der ist tief. Die Diagnose des USA-Kenners klingt düster: „Die Gesellschaft ist zerrissen.“ Und vor allem die eher traditionell denkenden, auf Selbstverantwortung setzenden und von Wertebewusstsein geprägten Menschen auf dem Land hätten „Abstiegserfahrungen“ erleben müssen. Im Zuge der Globalisierung hätten rund 90.000 Fabriken schließen müssen, verbunden mit Jobverlusten und Einkommenseinbrüchen. Gleichzeitig seien die Lebensmittelpreise um bis zu 40 Prozent gestiegen. In diesen unruhigen Zeiten habe Trump den Eindruck gemacht, dass er sich der Probleme annimmt, sie löst und sich um die Menschen kümmert. Im Gegensatz dazu Kamala Harris: Kein Profil erkennbar, ohne Führungskompetenz, ohne Charisma. Nur fröhlich, lächelnd und winkend daherkommend und Optimismus zur Schau stellen, reicht eben nicht. Auf der anderen Seite Donald Trump: Tausendfach der Lüge überführt, die republikanische Partei zum eigenen Machtzentrum umfunktioniert und sich zum Problemlöser proklamiert. So habe er alle Krisen und Skandale sowie den Sturm aufs Capitol schadlos überstanden. Mit dem Ergebnis: „Über die Hälfte der US-Amerikaner haben Trump gewählt – und sind glücklich.“
Arthur Landwehr bringt den Mythos Trump wie folgt auf den Punkt: „Man darf ihn nicht wörtlich, man muss ihn aber ernst nehmen!“
Bei der abschließenden Fragerunde interessierte das Publikum vor allem die Auswirkungen der künftigen Trumpschen Regierungszeit auf Europa, Deutschland und die Welt. Landwehr sieht in dem künftigen US-Präsidenten einen „Getriebenen und Überzeugungstäter mit klaren Vorstellungen“. Konkret: weniger Staat, mehr Eigenverantwortung. Für Europa bedeute dies auch eine Neuausrichtung eigener Werte und von Schwerpunkten, beispielsweise auf den Themenfeldern äußere Sicherheit und Energieversorgung. Auch Bündnisse wie die Nato oder andere für ihn eher „lästige“ Weltorganisationen würden den Politikwechsel im Weißen Haus zu spüren bekommen.
Der Journalist entließ seine gespannten Zuhörer aber nicht ohne einen Funken Optimismus in die Nacht: „Trump will keinen Krieg“. Ob es in der Summe gute oder schlechte Jahre für die USA und die Welt werden? Das wollte und konnte Landwehr gleichwohl „nicht prognostizieren“.
Gerold Hammes